Rezension „Die Vaterlosen“ 16.06.2011

Rezension „Die Vaterlosen“ 16.06.2011

Von Sophia Lehmann

Der Film „Die Vaterlosen“ von Marie Kreutzer feierte bei der 61. Berlinale (2011) Premiere. Er handelt von der Geschichte einer Familie, deren mittlerweile erwachsenen Kinder nach dem Tod des Vaters noch viel über sich selbst erfahren müssen.

Hans (Johannes Krisch) liegt im Sterben. Während sich seine Frau Anna (Marion Mitterhammer) um ihn kümmert bittet sie alle seine Kinder in das große Landhaus zu kommen, in dem sie in früherer Zeit wohnten. Nur sein Sohn Niki (Philipp Hochmair) erreicht ihn, bevor er stirbt. Als zweiter, aber trotzdem zu spät um ein letztes Mal mit seinem Vater reden zu können, trifft Vito (Andreas Kiendl) ein und bricht aufgrund der Situation in Tränen aus. Auch seine jüngere Schwester Mizzi (Emily Cox) kommt wenig später dazu. Plötzlich taucht auch die zweite Tochter auf, mit der niemand gerechnet hätte und von der Mizzi nicht einmal etwas wusste: Kyra (Andrea Wenzl). So wie Vito seine derzeitige Freundin Sophie (Pia Herzigger), hat Kyra Miguel einen Mann an ihrer Seite mitgebracht. Alle können sich dazu überreden bis zur Beerdigung von Hans zu bleiben, obwohl es manchen nicht gerade leicht fällt.
Während des Aufenthalts erfährt nicht nur Kyra durch alte Tagebücher von Hans und Tonbandaufnahmen aus der Zeit des alternativen Hippie-Kollektivs, welches das große, alte Landhaus bewohnte und Geständnisse der Mutter Anna, mehr über ihre Vergangenheit. Es kommt raus, warum Hans, ihre Mutter und sie vor 23 Jahren aus dem Haus warf und wer wirklich an Mizzi’s neurophysischer Störung Schuld ist.
Jedoch halten sich Miguel und Sophie lieber aus dem Familiendrama raus, wobei sie sich immer näher kommen. Als Miguel auch noch Kyra zu einer Therapie schicken möchte, fährt sie einfach mit ihrem Auto davon.

Den ganzen Film hindurch gibt es Rückblenden, die die Zeit, in denen das Landhaus noch die Heimat des Hippie-Kollektivs war, zeigen. Durch diese Szenen erfährt man Stück für Stück was die Familiengeheimnisse beinhalten. Der Perspektivwechsel dieser Rückblicke ermöglicht nicht nur die Sicht aus einem Blickwinkel, sondern aus verschiedenen. Es wird klar wie jeder der Hauptfiguren über die Vergangenheit denkt und was er oder sie damals erlebt hat.
„Die Vaterlosen“ ist ein spannender Film, da er viele Fragen aufwirft, die man beantwortet haben möchte, wie z.B. warum Kyra mit ihrer Mutter vor 23 Jahren rausgeworfen wurde und warum Mizzi nichts von ihr wusste. Eigentlich ist es eine eher traurige Geschichte von Verleugnung und Abweisung, Schuld und einer zerrütteten Familie. Doch durch kleine Witze und Szenen wo getanzt und gelacht wird, wird der Film aufgeheitert und kommt nicht rüber wie ein düsteres Drama. Trotzdem verliert man die eigentliche Ernsthaftigkeit nie aus den Augen.
Es ist gewiss kein Kinderfilm, dazu ist die Geschichte, die dahinter steckt, viel zu verschlüsselt. Doch die ganze „Rätselraterei“ und Suche nach der Wahrheit macht den Film, wie gesagt, spannend. Außerdem regt er zum Nachdenken an: Was ist Familie? Wie konnte aus solch einer fröhlichen Gemeinschaft eine Gruppe voller Schweigen und Abweisung werden? Auch das sehr offene Ende lässt viel Freiraum für die Fantasie der Zuschauer, doch hätte man einige Fragen nicht unbedingt offen lassen müssen. Zum Beispiel: Was geschieht mit dem Haus? Halten die Beziehungen von Kyra und Vito? Was wird aus Anna? Können Kyra und Mizzi Vito wegen seiner Lüge verzeihen?
Die authentischen Charaktere beleben die Story von Marie Kreutzer. Durch die menschlichen Reaktionen, z.B. das Weinen um den Vater, das Rauchen bei Stress und die Neugier über die Vergangenheit, wirken die Figuren sympathisch und man kann sich mit ihnen identifizieren. Außerdem ist es leicht, den Schauspielern ihre Rolle abzunehmen, da sie einfach so überzeugend sind. Die Drehorte sind passend gewählt: ländlich, einfach und schön.
Den Film habe ich mir gern angeschaut, auch wenn er an manchen Stellen akustisch schwer zu verstehen war, da besonders Andreas Kiendl (Vito) mit einem starken österreichischen Dialekt spricht. Wahrscheinlich hätte ich, als Jugendliche, mir den Film nicht unbedingt angeschaut nachdem ich die Synopsis gelesen hätte. Doch im Nachhinein finde ich es toll, dass ich „Die Vaterlosen“ sah. Als ich die Zusammenfassung las, dachte ich zuerst es würde ein sehr trauriger Film sein, aufgrund der Tatsache, dass der Vater stirbt. Doch ich wurde zunehmend überrascht, da die Trauer eher kurz gehalten wurde und man sich auf andere Dinge konzentrierte, wie der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
Ich würde den Film weiterempfehlen, da er mir selbst gut gefiel.

Marie Kreutzers (Regie und Buch) dritter Spielfilm ist ein gelungenes Drama über Familie, Trennung, Verleugnung und wie ein tragischer Vorfall eine zerrüttete Familie wieder zueinander führen kann.

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