Einladung zur Feierstunde 55jähriges Bühnenjubiläum Nina Madlen Korn

55-jähriges Berufsjubiläum einer Märchenerzählerin

 

Aus runden Geburtstagen hat sich Nina Madlen Korn noch nie etwas gemacht. Also hat sie ihren 50.,

60. und 70. ohne große Umstände hinter sich gebracht. Sie hat es mit dem 75. Geburtstag in diesem Jahr ebenso gehalten.

Ganz anders ergeht es ihr mit einigen persönlichen Erinnerungstagen. Zwei sind ihr unvergesslich: Der 100. Geburtstag ihres Vaters Vilmos (1999) und der ihrer Mutter Ilse Korn (2007). Diesen Anlässen widmete sie mehrere Veranstaltungen, erzählte eindrucksvoll aus ihrem Leben und Schaffen.

Der Dichterfürst Goethe wird gern zitiert mit dem Satz „Vom Vater hab ich die Statur, vom Mütterchen die Frohnatur“. Die Geschichtenerzählerin vergisst nie zu erwähnen, dass sie von ihren

Eltern nicht nur alle Talente und Fähigkeiten für ihren Beruf als Erzählerin erbte, sondern diese auch von beiden tagtäglich geistig und praktisch vermittelt bekam. Da war es also kein Wunder, dass Nina

M. Korn beruflich und nebenberuflich in den „Fußstapfen“ ihrer Eltern wanderte.

 

Schon während ihres Studiums – Literaturwissenschaften und Dramaturgie in Leipzig – erzählte sie ab

1958 einmal wöchentlich Märchen in einer Kinderbibliothek. Von 1961 bis 1989 arbeitete Nina M.

Korn als Dramaturgin und Redakteurin im Rundfunk der DDR in der Nalepastr. Zahllose

Funkerzählungen und Hörspiele nach Märchen aus aller Welt bearbeitete und gestaltete sie für ihr

Publikum: Kinder und Jugendliche. Im gleichen Jahr (1961) setzte sie auch im Palais am

Festungsgraben (damals das Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft) die Arbeit ihrer Mutter als Erzählerin fort.

Das freie Erzählen für Kinder in Bibliotheken, Freizeiteinrichtungen und Schulen wurde – und ist

noch heute – für N. M. Korn die wichtigste und schönste Lebensaufgabe überhaupt. Wenn ihre

begeisterten Zuhörer im Anschluss zu ihr kommen und sagen: „Ich habe alles gesehen, was du erzählt

hast!“, sieht darin die beste Bestätigung ihres Könnens und ist glücklich.

Inzwischen sind seit ihrem Erzählbeginn in Leipzig (1958) 55 Jahre vergangen. Doch immer noch

erzählt sie mit leidenschaftlicher Begeisterung ihrem Lieblingspublikum. Seit den ersten „Berliner

Märchentagen“ 1990 lauschen auch Erwachsene den Märchen und Geschichten aus aller Welt,

außerdem Sagen, Fabeln und Mythen vergangener Zeiten.

Vielleicht ist das doch ein Grund zum Feiern, finden Freunde und Fans der Erzählerin, die an ihr vor

allem das unglaublich große Repertoire und ihren Wortschatz bewundern. Im kleineren Kreis hat sie

vor Jahren einmal eine Wette gewonnen: Als sie nämlich eins von 100 Märchen – deren Titel von ihr

auf eine Liste geschrieben und von den Gästen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden –

bravourös aus dem Stand erzählte. Nicht erst seit diesem Tag gilt sie – weit über die Stadtgrenzen

Berlins hinaus – als eine der besten deutschsprachigen Erzählerinnen.

2006 erhielt sie von der Gertrud-Hempel-Volkserzähler-Stiftung für ihr Können den „RING der ERZÄHLER“.

 

Am 16. Oktober wird die Künstlerin gemeinsam mit Freunden in der Tadshikischen Teestube dieser

Erzähljahre gedenken, denn nunmehr haben die Berliner Märchenfrauen auch hier ein Jubiläum zu

feiern: 20 Jahre Märchenhafte Teestunden in der einmaligen Atmosphäre dieses gastlichen Ortes.

 

Weitere Informationen zur Künstlerin über www.maerchenfrauen.de

oder

Katja Popow

Tel. 030- 4753 0583

Mobil: 0178-8121294

Restaurant Tadshikische Teestube

Oranienburger Str. 27

10117 Berlin

Tel.: 030 204 11 12

www.tadshikische-teestube.de

Erzähl mir keine Märchen!

Wie oft ich diesen Satz schon gehört habe. Sie auch? Damit ist gesagt, lüg mich nicht an,

bind’ mir keinen Bären auf, halt mich nicht für dumm und so weiter und so fort. Wenn es

noch halbwegs nett gemeint sein soll, wirft Ihnen Ihr Gegenüber vor, Sie hätten zuviel

Fantasie!

Merkwürdig ist das schon mit dem Wort Märchen. Einerseits sind wir Deutschen ungemein

stolz auf unsere Märchen und Ihre berühmten Sammler, die Brüder Grimm. Wir feiern kein

Weihnachten ohne Frau Holle und Hänsel und Gretel. Unser letzter Urlaub war … wie im

Märchen! Die neue Freundin – schön wie eine Prinzessin! Der Ausflug ins edle Restaurant –

einfach märchenhaft.

Doch in der Wahrnehmung der meisten erwachsenen Menschen ist das Märchen eine

kindische, lügenhafte Angelegenheit – wir haben „die Märchenstunde“ im Parlament,

Politiker werden als „Märchenerzähler“ bezeichnet. Die Lüge ist dem Märchen gleichgesetzt.

Einer meiner Lieblingsdichter, der so jung (mit 25 Jahren) verstorbene Wilhelm Hauff lässt in

der Einleitung seiner Märchenkarawane das Märchen, die Tochter der Königin Phantasie,

traurig folgendes sagen:

„Sieh, die Menschen haben kluge Wächter aufgestellt, die alles, was aus Deinem Reiche

kommt, o Königin Phantasie, mit scharfem Blick mustern und prüfen. Wenn nun einer

kommt, der nicht nach ihrem Sinne ist, so erheben sie ein großes Geschrei, schlagen ihn tot

oder verleumden ihn doch so sehr bei den Menschen, die ihnen aufs Wort glauben, dass

man gar keine Liebe, kein Fünkchen Zutrauen mehr findet. …. Sie lieben mich nicht mehr,

überall, wo ich hinkomme, begegnen mir kalte Blicke, nirgends bin ich mehr gern gesehen.

Selbst die Kinder, die mich doch immer so lieb hatten, lachen über mich und wenden mir

altklug den Rücken zu.“

Schwierig ist es in unserer heutigen, modernen, schnelllebigen Zeit – und doch bin ich mit

Leib und Seele Märchenerzählerin geworden. Das Erzählen von wunderbaren, spannenden

und komischen Geschichten in einer Runde aufmerksamer Zuhörer gehört zu den ältesten

kulturellen Leistungen der Menschheit. Seit der Zeit, als wir noch als Jäger und Sammler

durch die gefahrvolle Welt stolperten, als jedes Gewitter, jeder Sturm, Furcht erregende

Tiere und Dunkelheit unserem Leben ein schnelles Ende bereiten konnten, zog man sich am

Abend in den Kreis des hell erleuchteten Feuers zurück und berichtete den anderen von den

erlebten Abenteuern, dem Überstehen der Gefahr. Aus diesen Erzählungen wuchsen über

Tausende von Jahren die Märchenmythen. Mit der Erfindung der Schrift wurden einige für

die Nachwelt festgehalten und haben so Einzug in unser kollektives Bewusstsein gehalten.

Geschichten voller Mut und Zuversicht, voller Glück und Liebe, erzählend vom schweren

Leben, vom Kampf um das Notwendige. Geschichten, die stark machen und einem

Lebensmut einhauchen, die Vertrauen schenken in die eigene Kraft, die das Lied der

Freundschaft singen und uns sagen, wir sind nicht allein.

Dass heute die übergroße Mehrheit der Erwachsenen glaubt, Märchen seien etwas für

Kinder, liegt in Deutschland wohl an einem verlegerischen Trick. So wurde die

Märchensammlung der Brüder Grimm mit dem Titel “Kinder- und Hausmärchen der Brüder

Grimm” versehen, um das neue Publikum anzusprechen. Denn erst mit Beginn der

Aufklärung und einem langsam erstarkenden Bürgertum, in dem Bildung erstmals einer

größeren Schicht zugänglich wurde – schenkte man “dem Kind” eine bis dahin nicht

dagewesene Aufmerksamkeit. So haben wir Erzähler heute manchmal Mühe und rufen noch

oft Erstaunen hervor, wenn wir sagen – Märchen sind natürlich – und zu allererst – etwas für

Erwachsene!

Und wenn Sie mir nicht glauben, dann vielleicht dem berühmten Philosophen Ernst Bloch,

der – zum Märchen befragt – sagte:

Märchen sind rebellierende und wache Geschichten, die ältesten utopischen Erzählungen

der Menschheit. Sie geben dem immerwährenden Traum der Menschen von Gerechtigkeit

hoffnungsvollen Ausdruck. Märchen predigen keine Moral, sondern weisen nach vorn.

Außerdem bilden sie ein fantastisches Inventar aller nicht gemachten Erfindungen.”

Was gibt’s noch zu sagen? Der begeisterte Satz eines Kindes:

Erzähl mir ein Märchen!!!

Katja Popow

Erzählerin

Berlin, Juli 2013

 

Hinterlasse eine Antwort